Christa Wolf, DDR und Wiedervereinigug
Desillusionierung
Christa Wolf steht der DDR zunächst wohlgesonnen gegenüber. 1949 tritt sie zwanzigjährig in die SED ein. Sie will Lehrerin werden und auf diesem Wege zur sozialistischen Bildung des Menschen beitragen und vertritt damit die Ideale des humanen Sozialismus. Der Prozess der Desillusionierung setzt bei Wolf spätestens 1956 ein, als auf dem XX. Parteitag der KPdSU Nikita Chruschtschow mit dem Stalinismus abrechnet.
Allerdings ereignen sich schon Jahre zuvor bestimmte Dinge, die diesen Prozess anstoßen. Von zentraler Bedeutung ist der Arbeiteraufstand vom 17.6.1953 in Leipzig. Nicht nur Christa Wolf, sondern auch viele andere Intellektuelle können sich nach den in diesem Zuge offen zutage tretenden Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht mehr mit der aus Moskau gesteuerten DDR identifizieren.
Dennoch ist Wolf von 1959 bis 1962 als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS oder Stasi) tätig. Allerdings gibt sie während ihrer Zeit als Spitzel nur zögerlich Auskunft über andere Menschen, sodass die Zusammenarbeit mit ihr schnell wieder eingestellt wird. Aufgrund der von der offiziellen Linie abweichenden Meinungen Christa Wolfs und ihres Mannes werden beide daraufhin bis zum Zusammenbruch der DDR 1989 von der Stasi observiert. Ihre Tätigkeit als IM ist bis heute ein Makel, der Christa Wolfs Ruhm anhaftet.
Nachdenken und Kritik
An eine Phase der Desillusionierung schließt sich ab 1965 eine Phase an, in der Christa Wolf zunehmend kritischer wird. In diesem Jahr hält sie auf dem 11. Plenum des Zentralkomitees der SED eine Rede, in der sie sich als Einzige gegen eine restriktivere Kulturpolitik ausspricht. Daraus resultiert in der Folge ein äußerst schwieriges Verhältnis zwischen der Autorin und dem Machtapparat der DDR. Ihr 1968 erscheinendes zweites Werk „Nachdenken über Christa T.“ trägt nicht dazu bei, ihre Stellung zu verbessern. Der Text wird 1969 auf dem VI. Deutschen Schriftstellerkongress von Kollegen heftig kritisiert, denn nach ihrer Meinung lässt er jeden sozialistischen Nutzen vermissen und ist mit seiner Innerlichkeit gesellschaftsabgewandt und gegen das Kollektiv gerichtet.
Ein Höhepunkt von Wolfs kritischer Haltung ist 1976 erreicht, als der systemkritische Schriftsteller und Sänger Wolf Biermann ausgebürgert wird. Wie viele andere Intellektuelle beteiligt sich auch die Autorin an einem Prot...