Menschenbild

Verfehlte Güte

Güte – ob nun religiös oder humanistisch begründet – reicht in dieser kapitalistischen Gesellschaft nicht aus, um eine Veränderung herbeizuführen. Güte gegenüber den Arbeitern und gegenüber Mauler gleichermaßen entpuppt sich in Brechts Stück als eine unangemessene Vereinfachung, durch die sich Johanna, ohne es zu merken, selbst zum Scheitern verurteilt.

Erst am Ende erkennt Johanna, dass durch Güte allein niemals alle Facetten der notwendigen Menschlichkeit abgedeckt werden können: „Sorgt doch, daß ihr die Welt verlassend / Nicht nur gut wart, sondern verlaßt / Eine gute Welt!“ (S. 142 f.) Sich selbst als ‚guter‘ oder ‚gütiger‘ Mensch in die Irrungen und Wirrungen der Welt und der Geschichte einzupassen, genügt – so Die heilige Johanna der Schlachthöfe – schlichtweg nicht. Im Gegenteil: So, wie Johanna Güte versteht, nutzt sie tatsächlich vor allem ‚den Schädigern‘.

Diese Einstellung steht in Verbindung zu den Gedankengängen, die sich auch andernorts im Werk Brechts wiederfinden: So thematisiert er gerade die Güte im Gedicht „An die Nachgeborenen“ (1939), tut dies dort jedoch aus einer fiktiven rückblickenden Perspektive heraus. Die gesellschaftliche Revolution ist vollzogen, die soziale Gerechtigkeit ist ein Teil der Realität – und aus dem Blickwinkel einer solchen besseren Welt heraus – so das ...

Der Text oben ist nur ein Auszug. Nur Abonnenten haben Zugang zu dem ganzen Textinhalt.

Erhalte Zugang zum vollständigen E-Book.

Als Abonnent von Lektürehilfe.de erhalten Sie Zugang zu allen E-Books.

Erhalte Zugang für nur 5,99 Euro pro Monat

Schon registriert als Abonnent? Bitte einloggen