Gesellschaftskritik
Kritik an der Klassengesellschaft
Gegenüberstellung von Herrschern und Untergebenen
Brechts Kritik an der Klassengesellschaft ist im »kaukasischen Kreidekreis« besonders spürbar. So beschreibt er in der Kreidekreis-Geschichte eine feudalistische Gesellschaftsstruktur, deren ungleiche Machtverteilungen sich durch alle gesellschaftlichen Lebensbereiche hindurchziehen. Dass auch die Justiz davon betroffen ist, verdeutlicht Brecht am Beispiel der Methoden des Richters Azdak (vgl. Abschnitt „Gerechtigkeit – Azdaks Urteile und Methoden“). Nicht zuletzt offenbart der Autor, was es für die einfachen Menschen bedeutet, wenn ein Machtkampf zwischen den Herrschern entbrennt.
Es sind Brechts Charaktere, die den Kontrast der gesellschaftlichen Klassen veranschaulichen. So steht Grusches Produktivität der Unproduktivität der Reichen gegenüber. Nicht ohne Grund fliegt Grusches Tarnung als Dame von hohem Stand in jenem Moment auf, als sie die Betten macht und den Boden säubert: „Wenn du bei denen in Verdacht kommst, daß du dir selber den Arsch wischen kannst oder schon einmal im Leben mit deinen Händen gearbeitet hast, ist es aus.“ (S. 42).
Aufgrund ihrer Entbehrungen tun sich die Niederen schwer mit der Nächstenliebe. Dies zeigt sich etwa am Beispiel des Milchwirts (vgl. S. 36) oder der Aniko Vachnadze (vgl. 4. Bild). Brecht macht den Figuren keinen Vorwurf, entschuldigt ihr Verhalten jedoch auch nicht – er erklärt es lediglich, und zwar anhand der gesellschaftlichen Umstände. Mit Grusche und Azdak schafft der Dramatiker jedoch zwei Figuren, die trotz ihrer prekären Lage mitmenschlich handeln. Brecht begründet dies mit der Notwendigkeit, die sozialen Verhältnisse zu überwinden.
Als armer Dorfschreiber nimmt Azdak einen Fremden bei sich auf, der offenbar auf der Flucht ist. Irgendwann bemerkt er, dass dieser von hohem Stand ist und noch dazu kein Geld dabeihat. Dennoch verzichtet Azdak darauf, den Flü...