Die sozialistische Utopie
Historischer Materialismus
In all seinen Werken verfolgt Brecht den Ansatz, ein Geschehen zwischen Menschen zu erzählen, das sich unter ganz bestimmten gesellschaftlichen Bedingungen ereignet. Dabei greift der Autor häufig auf historische Beispiele zurück, die auf die gegenwärtige Situation seines Publikums übertragbar sind. Die Zuschauer sollen erkennen, dass sich Herrschaftsformen und soziale Ordnungen nicht unabhängig von den Menschen entwickeln und dass die Gesellschaft veränderbar ist.
Die Veränderbarkeit der Gesellschaft wird im »kaukasischen Kreidekreis« auf Basis einer materiellen Geschichtsauffassung demonstriert. Diese auf Karl Marx und Friedrich Engels zurückgehende Philosophie besagt, dass die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft auf ökonomischen Prozessen basiert. Die Art und Weise, wie Güter produziert und verteilt werden, ist für die Entwicklung sozialer Strukturen ausschlaggebend, also z.B. von Klassenunterschieden oder juristischen und politischen Ordnungen. All dies wirkt wiederum auf die Denk- und Verhaltensweisen der Menschen ein.
Die Ungleichheit der Menschen durch Klassenbildung entsteht demnach unter bestimmten materiellen Produktionsbedingungen, wie Arbeitsteilung und die Schaffung unterschiedlicher Besitzverhältnisse. Doch der Mensch kann seine Umwelt durch die Art und Weise seiner Arbeit umgestalten. Brecht demonstriert dies am Beispiel der sozialen Produktivität der Grusche (vgl. Abschnitt „Mutterliebe – Die soziale Produktivität“). Deren Ziehsohn Michel kann im übertragenden Sinne als Produkt ihrer Arbeit aufgefasst werden.
Laut des historischen Materialismus hat sich der Mensch in der kapitalistischen Klassengesellschaft von seinen selbst produzierten Gütern entfernt, da diese im Besitz de...