Die Lieder der Grusche

Das Lied vom Soldaten

Kontext

Der Kontext, in den Brecht das Lied einbettet, ist die Verlobung des Soldaten Simon Chachava mit dem Küchenmädchen Grusche Vachnadze im zweiten Bild des Stückes. Beide sind für den georgischen Gouverneur Georgi Abaschwili tätig. Nachdem dieser von den aufständischen Fürsten hingerichtet worden ist, herrscht Chaos im Palast und die Angestellten versuchen, zu fliehen. Simon ist als Begleiter der Gouverneursfrau abgestellt und muss sich von Grusche für unbestimmte Zeit verabschieden. Das Paar verspricht, einander treu zu bleiben und nach Kriegsende zu heiraten.

Grusche bekräftigt ihr Versprechen mit einem Lied (vgl. S. 27):

             1     Geh du ruhig in die Schlacht, Soldat

             2     Die blutige Schlacht, die bittere Schlacht

             3     Aus der nicht jeder wiederkehrt:

             4     Wenn du wiederkehrst, bin ich da.

             5     Ich werde warten auf dich unter der grünen Ulme

             6     Ich werde warten auf dich unter der kahlen Ulme

             7     Ich werde warten, bis der Letzte zurückgekehrt ist

             8     Und danach.

             9     Kommst du aus der Schlacht zurück

             10   Keine Stiefel stehen vor der Tür

             11  Ist das Kissen neben meinem leer

             12  Und mein Mund ist ungeküßt

             13  Wenn du wiederkehrst, wenn du wiederkehrst

             14  Wirst du sagen können: alles ist wie einst.

Der Leser bzw. Zuschauer ahnt zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass Grusche ihr Treuegelöbnis später brechen wird. Im vierten Bild willigt das Küchenmädchen in eine Scheinehe mit dem Bauern Jussup ein, um den von ihr geretteten Säugling Michel zu schützen. Sie nimmt jedoch an, dass Jussup im Sterben liegt. Doch der Bauer ist quicklebendig und verlangt den Vollzug der Ehe. Grusche ist zum unfreiwilligen Treuebruch gezwungen. Als Simon zurückkehrt, missversteht er die Situation und löst die Verlobung. Vor diesem Hintergrund erscheint Grusches „Lied vom Soldaten“ rückblickend in einem neuen Licht.

Aufbau

Der Song besteht aus zwei Strophen, die sich inhaltlich in vier Bereiche gliedern lassen. Zu Beginn beschreibt Grusche in kurzen Worten das Schicksal, welches ihr Geliebter zu erwarten hat (Z. 1-3). Es ist eine blutige und bittere Schlacht, „aus der nicht jeder wiederkehrt“ (Z. 3). Letzte Äußerung entdramatisiert Grusche jedoch sogleich wieder, indem sie voraussetzt, dass Simon unter den Heimkehrern sein wird: „Wenn du wiederkehrst, bin ich da.“ (Z. 4). Mit diesen Worten läutet sie den zweiten Abschnitt des Liedes ein (Z. 4-8), in welchem ihre Ausdauer beschrieben wird.

Die Zeilen 9 bis 12 der zweiten Strophe umfassen den anschließenden dritten Teil des Liedes. In diesem kommt die Treue der Grusche zum Ausdruck. Der vierte Abschnitt wird von den letzten beiden Zeilen gebildet, die das gesamte Versprechen noch einmal zusammenfassen.

Sprache

Die direkte Ansprache Simons erfolgt in der ersten und vierten Zeile („Geh du ruhig in die Schlacht“ - Wenn du wiederkehrst“) sowie in der 9. Zeile („Kommst du aus der Schlacht zurück“) und in den letzten beiden Zeilen („Wenn du wiederkehrst, wenn du wiederkehrst. Wirst du sagen können“ (S. 27). Der inhaltliche Fokus liegt vor allem auf der erwünschten Rückkehr des Soldaten. Betont wird dieser Wunsch nicht zuletzt durch die dreimalige Wiederholung des Konditionalsatzes „Wenn du wiederkehrst“, die zum einen an ein altes Volkslied erinnert und zum anderen die unsichere Zukunft des Paares hervorhebt. Die Gefahren des Krieges, die Simon erwarten, werden ebenfalls durch eine Form der Wiederholung, die sogenannte Synonymie, verdeutlicht: „Die blutige Schlacht, die bittere Schlacht“ (Z. 2).

In den übrigen Zeilen spricht Grusche von sich selbst und benutzt hier eine weitere prägnante Wiederholung. Der dreimalige Ausspruch „Ich werde warten“ (Zeilen 5, 6 und 7) betont ihre Bereitschaft zur Ausdauer. Diese äußert sich nicht zuletzt im Bild von der zunächst noch kahlen und dann grünen Ulme, das den Wechsel der Jahreszeiten markiert (vgl. Z. 5 und 6).

Als Metaphern sind auch diejenigen Beispiele zu deuten, die Grusche für ihre Treue anführt (vgl. Z. 10-12). Die fehlenden Stiefel vor der Tür, das leere Kissen und der ungeküsste Mund deuten an, dass sich Grusche während Simons Abwesenheit nicht mit einem anderen Mann trösten wird. Das Lied ist insgesamt...

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