Gustls Krise
Fehlende Kritikfähigkeit
Gustl hat die tiefe Ehrkränkung ohne Gegenwehr hinzunehmen, was ein herber Verstoß gegen die sozialen Spielregeln bedeutet und mit dem Verlust der eigenen Ehre und Satisfaktionsfähigkeit einhergeht: „ich bin satisfactionsunfähig“ (S. 20).
Gustl erkennt durchaus, dass es sich hierbei eigentlich um einen belanglosen Vorfall handelt, der keineswegs tragische Konsequenzen nach sich ziehen müsste: „es ist ja zu dumm, zu dumm! – deßwegen soll ein Kerl wie ich, so ein junger fescher Mensch … ja nachher möchte en gewiß alle sagen: Das hättʼ er doch nicht thun müssen, wegen so einer Dummheit“ (S. 22). Auch in Bezug auf andere Duellforderungen kann er sich die Sinnlosigkeit jener Handlungen eingestehen: „unglaublich, weßwegen sich die Leutʼ todtschießen!“ (S. 26).
Gustl ist allerdings nicht dazu imstande, diese Erkenntnis in Handlung umzusetzen und sich tatsächlich gegen die bestehenden gesellschaftlichen Regeln zur Wehr zu setzen: Statt an der Sinnhaftigkeit des Duells zu zweifeln, stürzt Gustl die erlittene Ehrverletzung in eine existenzielle Krise, der er nur durch die Selbsttötung entkommen zu können glaubt.
Versuche des Selbstbetrugs
Die zentrale Frage, die den Kern der Novelle bildet, lautet folglich, wie Gustl mit dieser desolaten Situation umgehen sollte. Um diese entscheidende Frage entspinnt sich sein dramatischer Monolog, der zwischen Lebenswillen und Todesbereitschaft hin und her schwankt. Obgleich sich Gustl schon recht früh eingesteht, dass ihm eigentlich nur noch die Möglichkeit der Selbsttötung bleibt, treibt ihn seine uneingestandene Angst vor dem Tod immer wieder dazu, nach anderen Lösungen und Auswegen zu suchen.
Sein erster Versuch besteht zunächst im Verleugnen der Realität, indem er darauf beharrt, sich den Vorfall nur eingebildet zu haben: „Vielleicht ist es doch ein Traum gewesen. …“ (S. 18), „Vielleicht habʼ ich ihn nicht recht verstanden … am Endʼ hat er ganz was Anderes gesagt … ich war ja ganz blödʼ von der Singerei und der Hitzʼ … vielleicht bin ich verrückt gewesen, und es ist Alles gar nicht wahr …?“ (S. 23). Als er sich aber letz...