Ehre, Duell und Satisfaktionsfähigkeit
Standesehre
Schnitzlers Novelle Leutnant Gustl kreist thematisch um den Verlust der Ehre und um die gesellschaftlichen Regeln, welche es ermöglichen, die erlittenen Kränkungen wiedergutzumachen. Damit verbindet Schnitzler hier Themen, welche für die Zeit der Jahrhundertwende von zentraler Relevanz gewesen sind: Das Motiv der Ehre und des Duells – sowie das Motiv des Freitodes als letzte Möglichkeit, falls die Ehre nicht durch einen Zweikampf wiederhergestellt werden kann.
Wie bereits in dem Kapitel „k.u.k Armee“ erwähnt, spielt die Ehre vor allem für den Offiziersstand, der sich der Einhaltung eines besonderen Ehrenkodex zu verpflichten hat, eine entscheidende Rolle: Stets müssen die Offiziere auf der Hut sein, keine absichtliche oder auch unabsichtliche Kränkung zu erleiden.
Insofern der Ehrenkodex die Zugehörigkeit zu der angesehenen Gruppe der Offiziere bestimmt, ist die Ehrvorstellung sehr eng mit einer sozialen Grenzziehung verbunden und dient letztlich zur Erhaltung und Abgrenzung eines – elitären – sozialen Standes. Folglich geht es hier nicht nur um die persönliche Ehre, sondern zugleich auch um die Wahrung der Standesehre: Ehre zu besitzen, bedeutet dazuzugehören, während Ehrverlust mit dem Ausschluss aus dem erlesenen Kreis geahndet wird.
Ein Verlust der Standesehre liegt dann vor, wenn jemand selbst eine schimpfliche Handlung begeht oder aber von einem anderen beleidigt bzw. ehr- und respektlos behandelt wird. Eine weit verbreitete Möglichkeit, die Ehre wiederherzustellen, besteht darin, den eigenen Körper im Kampf einzusetzen.
Das Duell
Um unkontrollierte Gewaltausbrüche zu verhindern oder zumindest in geordnete Bahnen zu lenken, bildet sich in diesem Zuge der Zweikampf bzw. das Duell als gesellschaftlich legitimiertes und ritualisiertes Verfahren mit genau festgelegten Regeln heraus: Nach einer Verabredung von Zeit und Ort – die meisten Duelle finden in den frühen Morgenstunden an einem wenig belebten Ort statt – bedarf es eines Sekundanten, der zunächst die Forderung überbringen und die genauen Bedingungen des Duells (wie zum Beispiel die Wahl der Waffen) auszuhandeln hat.
Geführt wird der Zweikampf dabei stets mit scharfen Klingen (z. B. dem Degen) oder mit Pistolen. Aufgabe des Sekundanten ist es zudem, kurz vor dem Duell den Kontrahenten die Waffen auszuhändigen und bei Verletzung oder gar Tod eines Beteiligten einen Arzt zu verständigen.
Das Ziel des Duells besteht diesbezüglich darin, für erlittene Beleidigungen Genugtuung (Satisfaktion) zu erhalten bzw. zu gewähren. Von zentraler Bedeutung ist hierbei, dass die Duellanten ihre Ehrenhaftigkeit dadurch unter Beweis stellten, dass sie mit der Einwilligung in das Duell ihre Bereitschaft verdeutlichen, Verletzungen oder sogar den Tod für eine Wiederherstellung der Ehre in Kauf zu nehmen.
Zwar sind seit der Jahrhundertwende zahlreiche Anti...