Innerer Monolog in „Lieutenant Gustl“
Interne Fokalisierung
Die erste literaturwissenschaftliche Studie, die sich mit dem Phänomen des inneren Monologs auseinandersetzt, stammt von Édouard Dujardin: In seiner 1931 erschienenen Abhandlung „Le monologue intérieur“ verweist er diesbezüglich auf seine eigene Erzählung „Les Lauriers sont coupés (Dt. „Die Lorbeerbäume sind geschnitten“) aus dem Jahr 1887, die er zum Gründungstext für diese neue Erzählweise erklärt.
In „Lieutenant Gustl“ (1900) hat Arthur Schnitzler als Erster in der deutschsprachigen Literatur diese Form des inneren Monologs konsequent verwendet. Die gesamte Novelle wird durchgängig aus der Innenperspektive von Gustl heraus erzählt, wobei seine Gedanken und Überlegungen als wörtliche Rede unter Verzicht auf Anführungszeichen und Inquit-Formel formuliert werden.
Der Erzähler verwendet dabei die Erzählperspektive der internen Fokalisierung: Er kennt Gustls Innenleben und lässt den Leser daran teilhaben. Er tritt vollständig in den Hintergrund, weshalb der gesamte Text aus der Figurenrede besteht. Folglich zielt die Verwendung des inneren Monologs mit der vermeintlich lückenlosen Dokumentation von Gustls Gedanken auf eine möglichst unverfälschte Darstellung ab. Bei dem Leser entsteht auf diese Weise die Illusion, unmittelbar in Gustls Gedankenwelt eindringen zu können.
Authentizität und Realismus
Der authentische Eindruck wird diesbezüglich noch durch die Tatsache verstärkt, dass die Denkbewegungen des menschlichen Geistes äußerst realitätsgetreu nachgeahmt werden: Gustls Überlegungen vollziehen sich nicht geradlinig und strukturiert, sondern syntaktisch inkohärent, in unvollständigen Sätzen mit Gedankensprüngen und Abbrüchen. Damit kommt eine ungekünstelte Wiedergabe der inneren Wirklichkeit zustande, wie hier zum Beispiel: „– So, jetzt heißtʼs nur überlegen – aber was denn? […] ist doch ganz einfach: – im Nachtkastelladel liegt er, geladen ist er auch, heißtʼs nur: losdrucken – das wird doch keine Kunst sein! – – Die geht schon ins Gʼschäft […] – die Adelʼ war auch in einem Gʼschäft“ (S. 28).
Die Chr...