Rezension

Annette von Droste-Hülshoff beschreibt in der Novelle Die Judenbuche(1842) die Geschichte des Halbwaisen, vermeintlichen Judenmörders und Selbstmörders Friedrich Mergel in einem westfälischen Dorfmilieu zwischen 1730 und 1789. Die Erzählung ist düster gestaltet: Trotz ihres etwas altmodisch anmutenden Stils stellt sie die Abgründe der menschlichen Seele in einer erstaunlichen Neutralität dar.

Die Autorin bezieht kaum direkt Stellung. Nüchtern beschreibt sie, unter welchen Umständen ein harmloser, in Armut geborener Dorfjunge ins gesellschaftliche Abseits gerät, verzweifelt versucht, sich soziale Anerkennung zu verschaffen und ein populäres Image als Dorfelegant aufzubauen, bevor letztendlich alles für ihn in die Brüche geht und er ins Exil flüchten muss.

Mit einer ausgeklügelten Erzähltechnik, bei welcher der Erzähler manchmal souverän über alles Bescheid weiß, manchmal aber auch nur die Perspektive der ahnungslosen Dorfbewohner einnimmt, werden zwei Morde bewusst verschleiert. Der Leser muss am Ende der Geschichte, die mit dem Selbstmord des Hauptprotagonisten endet, feststellen, dass es nicht möglich ist, sich ein endgültiges Urteil über die Kriminalfälle zu verschaffen, und muss sich mit der Mehrdeutigkeit der Erzählung abfinden. Die Verurteilung des Sünders wird hier aus der Position der Autorin höheren Mächten überlassen.

Die Resignation und die Akzeptanz des Schicksals sind Merkmale der Epoche des Biedermeier. Die Frage nach dem freien Willen versus der Macht der Umwelt, die das Individuum formt, hat später vor allem die Naturalisten bewegt und ist noch heute von großer Relevanz. Diese Frage ist unter anderem dann wichtig, wenn es darum geht, Schuld zu bewerten. Wie viel Verantwortung trägt Friedrich für seine Handlungen? Ist eigentlich auch die Gesellschaft schuldig zu sprechen?  

Was die Droste schreibt, wirkt an vielen Stellen sehr konservativ, doch bei genauerem...

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