Das Gedicht: Lass ruhn den Stein – er trifft dein eignes Haupt!
Einleitung, Aufbau und Reimschema
Eine Novelle fängt allgemeinerweise mit einer Exposition in Prosaform an. Die Novelle Die Judenbuche von Annette von Droste – Hülshoff beginnt mit einem Gedicht in Verform (S. 3), das als erstes Zeichen für eine Poetisierung der Erzählung bewertet werden kann. Die Novelle enthält an späterer Stelle auch ein altes Weihnachtslied (S. 48) und zeigt in diesem Sinne Züge der romantischen Universalpoesie.
Das Gedicht ist strukturell recht simpel gehalten. Diese Einfachheit passt gut zu dem Milieu, in welchem sich die Handlung abspielt: Auch hier leben Menschen ein einfaches, volkstümliches Leben. Das Gedicht besteht aus 12 Zeilen und kann in drei Abschnitte mit je vier Versen eingeteilt werden. Es ist im Versmaß des Jambus geschrieben. Bis auf die ersten beiden Verse enden alle Verse mit einer männlichen Kadenz. Das Reimschema ist durchgängig das des Paarreims.
Verse 1-4
Die ersten vier Verse bilden eine rhetorische Frage bzw. zwei Fragen, in einer Satzverbindung ausgedrückt, die so verstanden und ausgedrückt werden könnte: „Wo gibt es eine Person, die so sensibel ist, dass sie immer „ohne Irren“ genau das Richtige tut, um Menschen, die in ihrer Entwicklung schwierige Phasen durchlaufen (beschränkten Hirnes Wirren), in genau die richtige Richtung zu lenken?“. „Wo gibt es eine Person, die einen anderen Menschen, der es im Leben schwer hat (ein arm verkümmert Sein), verurteilen kann, „den Stein schleudern“ und dabei sicher sein kann (so fest), dass die Strafe zweifellos gerechtfertigt ist?“
Hier könnte das Gedicht als eine Anspielung auf Friedrichs Situation gedeutet werden. Das „arm verkümmert Sein“ durchlaufe als Kind eine schwierige familiäre und soziale Phase. Er sei ein Sonderling und Einzelgänger, der sich viele merkwürdige Gedanken, „beschränkten Hirnes Wirren“, macht.
Verse 4-8
Auch die nächsten vier Verse bilden Fragen, die so verstanden werden kö...