Alfred Andersch

Alfred Andersch wurde am 4.02.1914 in München geboren. Nach dem Besuch der protestantischen Volkshauptschule wechselte Andersch auf das Gymnasium, brach die Schullaufbahn aber ab und absolvierte zunächst eine Buchhändlerlehre. Die kleinbürgerlich – protestantischen Verhältnisse, in denen Andersch aufwuchs, waren auch geprägt von der politischen Aktivität und Gesinnung des Vaters: Dieser war deutsch-national eingestellt und ein Mitbegründer der 1918 gegründeten Thule-Gesellschaft, eines politischen Geheimbunds, der national-antisemitische Ideale vertrat. Sein Vater hatte als Offizier im Ersten Weltkrieg gedient und war ein treuer Anhänger des Generals Erich Ludendorff, der maßgeblich das politische Geschehen in der Zeit des Ersten Weltkriegs lenkte. Auch Ludendorff war in der völkischen Bewegung aktiv und ein Beteiligter des Hitlerputsches im Jahr 1923. Anderschs Vater verstarb 1929 infolge einer Kriegsverletzung und einer Schwächung aufgrund seiner Diabeteserkrankung.

Auch außerhalb der Familie hatte Andersch zwangsläufig Kontakt zu national-völkischem Gedankengut. Der Direktor seines Gymnasiums war der Vater des späteren Reichsführers der SS, Heinrich Himmler. In seiner letzten Erzählung „Der Vater eines Mörders“ von 1980 hat Andersch ein Porträt von ihm nachgezeichnet.

Andersch, der sich schon früh für Literatur interessierte, begann, sich auch mit sozialkritischer Lektüre zu befassen. In Opposition zu seinem Vater begeisterte sich Andersch für sozialistisch – kommunistische Ideale. Er wurde auch politisch aktiv.

Die freie Gewerkschaftsjugend des Zentralverbands, bei der er Mitglied war, schloss ihn aufgrund seiner links-politischen Einstellung aus und Andersch wechselte 1930 zum Kommunistischen Jugendverband. Seine politischen Aktivitäten und intellektuellen Fähigkeiten verschafften ihm schnell die Möglichkeit, Organisationsleiter des KJV für Südbayern zu werden. Es folgte eine Zeit der politischen Tätigkeiten in Form von Demonstrationen, Debatten und politischen Schriften, die mit Hitlers Machtergreifung im Jahr 1933 jäh gestoppt wurde.

Andersch wurde am 10.03.1933 verhaftet und am 22. März in das KZ-Dachau inhaftiert. Nur deshalb, weil Anderschs Mutter bei einem Freund der Familie, der Mitglied der NSDAP war, ein Gnadengesuch stellte, wurde Andersch im April des Jahres freigelassen. Fortan schränkte Andersch seine politischen Tätigkeiten ein, sodass eine erneute Verhaftung im September 1933 aufgrund mangelnder Beweise fallen gelassen werden musste. Aufgrund der resignierenden Haltung und des schwachen Widerstands gegen die NSDAP distanzierte sich Andersch enttäuscht von der KPD.

Andersch fand 1933 eine Anstellung in der Verlagsbuchhandlung J.F. Lehmann. Lehmann war ein Bekannter seines Vaters aus dem Dunstkreis der NSDAP-Sympathisanten. In seinem Programm hatte Lehmann Literatur, die rassistisch-antisemitische  Themen der völkischen Politik, der Rassenkunde und -hygiene zum Gegenstand hatte. Dort arbeitete er, bis er im Jahr 1937 eine Stelle in Hamburg in der Werbebranche bekam. Während  einer Italienreise lernte er die Halbjüdin Angelika Albert kennen und heiratete sie im Jahr 1935. 1938 wurde die gemeinsame Tochter Susanne geboren. In den folgenden Jahren hat Andersch sein literarisches Schaffen vorangetrieben. Er hat zahlreiche Prosastücke verfasst, die den Terror des aufkommenden Naziregimes ebenso thematisierten wie die innere Notlage der Menschen. Andersch verliebte sich inzwischen in die Malerin Gisela Groneur und begann eine Beziehung mit ihr.

Als 1940 ihr gemeinsamer Sohn geboren wurde, musste Andersch in den Kriegsdienst nach Frankreich. Aufgrund eines Erlasses Hitlers, die Wehrmacht von 'Halbjuden' zu 'befreien', konnte Andersch aufgrund seiner Heirat mit Angelika die Wehrmacht 1943 kurzfristig verlassen. Er bekam eine Anstellung bei einem Seifen- und Parfümhersteller in Frankfurt. Auch seine schriftstellerische Tätigkeit verfolgte er weiter. Andersch schickte einige Prosaskizzen an die Frankfurter Zeitung, die jedoch abgelehnt wurden. Um seine schriftstellerischen Tätigkeiten richtig ausüben zu können, stellte Andersch einen Antrag auf Befreiung als Mitglied  bei der Reichsschrifttumskammer. Die Scheidung von seiner halbjüdischen Frau im Jahr 1943, die dafür notwendig war,  war damit besiegelt.

1943 wurde Andersch wieder in den Krieg eingezogen. 1944 wurde Anderschs Erzählung „Erste Ausfahrt“ in der Kölner Zeitung gedruckt. Dies war seine erste Publikation. Noch im Kriegsdienst in Dänemark schickte er weitere Arbeiten an den Suhrkamp Verlag. Obwohl er von dort eine Absage erhielt, bekundete der Verlag Interesse an weiteren Arbeiten. Als Andersch während des Kriegsdienstes nach Italien kam, gelang ihm die Flucht und er desertierte. Andersch geriet daraufhin  in amerikanische Kriegsgefangenschaft und lebte bis 1945 in Louisiana und Rhode Island.

Hier kam Andersch mit den Werken großer amerikanischer Schriftsteller, wie Ernest Hemingway und  John Steinbeck, in Berührung. Er publizierte in der Zeitung Zeitschrift „Der Ruf – Blätter für deutsche Kriegsgefangene“ und war als Redakteur tätig.

Nach dem Krieg wurde Andersch aus der Kriegsgefangenschaft entlassen und kehrte nach Deutschland zurück. Für zwei Jahre arbeitete er als Assistenz von Erich Kästner bei der Neuen Zeitung.  Mit Hans Werner Richter gründete er 1947 eine eigene  Zeitschrift -  „Der Ruf - unabhängige Blätter der jungen Generation“. Aufgrund der zwar demokratisch, aber eher linkspolitischen Ausrichtung der Zeitung wurde sie noch 1947 von der amerikanischen Zensur verboten. Andersch war einer der Ersten, der zur bekannten Literaturzusammenkunft „Gruppe 47“ von Hans Werner Richter eingeladen wurde und einen Essay präsentierte. Er konzentrierte sich in den folgenden 10 Jahren zunehmend auf die Arbeit als Journalist, Redakteur und Publizist. So leitete er das Abendstudio des Hessischen Rundfunks und die Sendung „radioessay“ beim Süddeutschen Rundfunk. Er war Herausgeber der Zeitschrift „Texte und Zeichnungen“ und der Reihe „studio frankfurt“.

1952 erschien sein erster, stark autobiografischer Roman „Die Kirschen der Freiheit“, 1975 sein zweiter Roman „Sansibar oder der letzte Grund“. Nach der Übersiedlung in ein kleines Bergdorf in der Schweiz  im Jahr 1958 gab sich Andersch ganz  seinen schriftstellerischen Tätigkeiten hin. Mit Gisela Groneur, die er 1950 geheiratet hatte, und mit der im gleichen Jahr geborenen Tochter Annette lebte er seitdem in der Schweiz. Seit dieser Zeit publizierte Andersch seine Romane, Reiseerzählungen, Essays, Gedichte und Hörspiele. Andersch bereiste zwischen 1960 und 1975 verschiedene Länder und hielt eine Vortragsreise in Amerika im Jahr 1970. 1967 erhielt er den Nelly-Sachs-Preis für seinen Roman „Efraim“, 1968 den Charles-Veillon-Preis und 1975 den Großen Literaturpreis der Bayrischen Akademie der schönen Künste. Er übergab sein Werk 1979 dem Literaturarchiv in Marbach. Andersch starb 1980 in Barzona nach einer Nierenerkrankung an Nierenversagen im Alter von 66 Jahren. 

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