Historischer Hintergrund
Erster Weltkrieg
Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht, wird ganz Europa in vier lange Jahre des Schreckens und der Verluste hineingerissen. Durch die neu geschaffenen Massenmedien, wie Zeitungen und Kinos, kann die breite Masse der Menschen erreicht werden. Durch eine geschickte und gezielte nationalistische Propaganda wird bei den Bürgern eine Kriegsbegeisterung entfacht, aufgrund derer sich viele Freiwillige zum Kriegsdienst melden. Sie werden an die Front geschickt, um zu kämpfen.
Das Leben in den langen Gräben mit dem Tod als ständigem Begleiter prägt den Alltag der Soldaten. Reihenweise sterben sie im massiven Abwehrfeuer der Maschinengewehre. Der Einsatz von Chlor- und Senfgas ab 1915 führt zu bis dahin unvorstellbaren Opferzahlen. Der Krieg fordert rund 17 Millionen Menschenleben. England ist 1918 völlig am Ende. Die Ressourcen sind erschöpft und die Überlebenden müssen mit harten Entbehrungen kämpfen. Viele Soldaten kehren verletzt oder verkrüppelt aus dem Krieg zurück, sie rutschten in die Armut ab.
Aldous Huxley, der das massenhafte Sterben und Leiden an der Front und in der Heimat miterlebt, erschafft in seinem Roman „Schöne neue Welt“ einen Staat, in dem die Menschen keine Kriege oder Armut mehr befürchten müssen. Krankheiten und Gebrechen gibt es nicht mehr. Eine andere wichtige Regel lautet, dass alle Menschen glücklich sein sollen. Gefühle, wie Trauer oder Kummer, kennen sie nicht und können damit auch nicht umgehen.
„Nie wieder Krieg“, das war 1932 die Hoffnung vieler Menschen. Der pessimistische Ton von Huxleys Dystopie lässt aber schon etwas anderes erahnen: Einen übermächtigen Staat und die Freiheitsberaubung der Bürger. Die beschriebene neue schöne Welt in weiter Zukunft zeichnet sich schon durch gewisse Schwächen aus: Die „Staatseinflüsterung“ diktiert das Verhalten der Menschen, die Außenseiter werden auf eine Insel verbannt. Drogen werden jeden Tag an die Menschen verteilt, um sie glücklich zu machen, und Somagas wird dazu verwendet, um diejenigen Menschen, die sich wehren, zu pazifizieren.
Schwarzer Freitag und der Aufstieg totalitärer Regime
Am Donnerstag, den 24. Oktober 1929, beginnt ein dramatischer Verfall der Aktienkurse an der New Yorker Börse. Die Spekulationsblase, die unkontrollierte Kreditaufnahme, der Verfall der Agrarpreise, die jahrelangen Überinvestitionen in der Industrie und das Überangebot an Waren, mit dem die Nachfrage nicht Schritt halten konnte, bilden die wesentlichen Ursachen für die drastischen Kursverluste.
Die USA repräsentieren schon damals die führende politische und wirtschaftliche Macht und erwirtschaften etwa die Hälfte der gesamten weltweiten Industrieproduktion. Schon am nächsten Tag, dem „Schwarzen Freitag“, bricht Panik an den europäischen Aktienmärkten aus, die zusammenbrechen. Der Börsencrash weitet sich rasch auf die gesamte Welt aus und verursacht die größte Weltwirtschaftskrise im 20. Jahrhundert. Millionen von Anlegern büßen ihr Vermögen ein: Innerhalb einer Woche verlieren die US-Aktien über 50 Prozent ihres Werts. 1932 sind fast 90 Prozent des US-Aktienvermögens vernichtet worden. Das grundlegende Vertrauen in die Wirtschaft ist völlig ruiniert.
Der Börsensturz am "Schwarzen Freitag" trifft Deutschland nach den USA besonders schwer und lähmt die ökonomischen Kräfte. Viele Banken und Unternehmer gehen pleite. Große Teile der deutschen industriellen Kapazitäten liegen brach: Die Betriebe können ihre Produkte kaum mehr absetzen. Die tiefe Krise bewirkt einen weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit. Im Sommer 1929 gibt es 1,9 Millionen Arbeitslose. Im Februar 1932, auf dem Höhepunkt der Krise, sind rund 6 Millionen Menschen in Deutschland arbeitslos gemeldet.
Die soziale Verelendung nimmt ein erschreckendes Ausmaß an. Sozialer Abstieg, Armut und bittere Not führen zur politischen Radikalisierung der Bevölkerung und befördern den raschen Aufstieg der Nazis. Im Februar 1932 erlangt Adolf Hitler die deutsche Staatsbürgerschaft. Die NSDAP, Adolf Hitlers Partei, gewinnt bei der Reichstagswahl am 31. Juli 1932 insgesamt 37,4 Prozent aller Stimmen (vor der SPD mit 21,6 Prozent) und bildet die größte Fraktion im Reichstag. Mehrere nachfolgende Regierungskrisen schwächen die Republik und ermöglichen ein halbes Jahr später, Anfang 1933, Hitlers Machtergreifung und die Errichtung der NS-Diktatur.
Nicht nur in Deutschland entwickeln sich nach dem Ersten Weltkrieg totalitäre Regime. 1932 wird Italien schon seit 10 Jahren faschistisch regiert. Dieser Jahrestag bietet dem Diktator Benito Mussolini einen willkommenen Anlass, sich feiern zu lassen. Er schließt im Oktober 1932 mit Josef Stalin einen Nichtangriffs- und Freundschaftsvertrag ab. 1932 ist auch das Datum für die Veröffentlichung von Huxleys Roman „Schöne neue Welt“. Der historische und zeitgeschichtliche Hintergrund in den frühen 1930er Jahren hat ohne Zweifel den Autor bei der Beschreibung eines autoritären und totalitären Weltstaats in seiner Antiutopie inspiriert und beeinflusst. Es ist so, als hätte der Autor die kommenden historischen Ereignisse schon vorahnen können.
Der Liberalismus
Der Liberalismus ist eine politische Strömung des 19. und 20. Jahrhunderts, die den Menschen und dessen Selbstbestimmungsrecht in den Fokus rückt. Der Liberalismus steht im Gegensatz zum Totalitarismus und gilt in der westlichen Welt oftmals als Voraussetzung für eine moderne, pluralistische Demokratie. Das Individuum soll frei entscheiden, handeln und leben können. Jeglicher Zwang, dem sich der Mensch unterwerfen müsste, sei er politischer, sozialer oder ideologischer Natur, wird abgelehnt. Diese Form der Weltanschauung geht auf die Epoche der Aufklärung zurück, in der man die Freiheit des Einzelnen in einem feudalen System forderte.
Aldous Huxley konzipiert eine wissenschaftlich-technische Dystopie und schildert eine hoch entwickelte technologische Kastengesellschaft. Alle Menschen erhalten entsprechend ihrer Kaste eine bestimmte Normung. Schon durch das Klonen haben die Mitglieder der unteren Kasten gleich aussehende Geschwister und unterscheiden sich kaum voneinander. Sie entsprechen einem bestimmten äußerlichen Standard: Sie haben beispielsweise alle die gleiche Körpergröße und müssen einheitliche Kleidung tragen. In einer Gesellschaft ohne Geschichte und Religion stehen ihnen auch keine Bücher zur Verfügung. Sie bekommen jeden Tag eine Ration Soma ausgehändigt, die sie nicht entbehren können. Sie sind darauf konditioniert, keine Eifersucht, keine Leidenschaft zu empfinden. Aufgrund dessen haben sie auch keinen freien Willen und können nicht eigenständig über ihr Leben entscheiden. Sie sind unwissend und unkritisch, aber sie scheinen glü...