Individualität und Identität
Die Individualität verweist auf die Unterschiede, die zwischen den Menschen bestehen, auf die Züge und die Eigenschaften, die sie besonders und einzigartig machen. Im Weltstaat sehen alle Mitglieder der niederen Kasten gleich aus. Durch ihr Benehmen unterscheiden sie sich nicht voneinander. Zwei Beispiele können dieses Aussagen bekräftigen. Michels Versuch, die Deltas vom Soma zu befreien, scheitert: Er wird von ihnen angegriffen (Kapitel 15). Die Zuschauer, die zu Michels Leuchtturm kommen, reagieren auch ganz einheitlich: Sie betrachten ihn als ein wildes Tier. Sie werfen ihm Essen zu und wollen sehen, wie er sich wieder selbst geißelt. Sie singen im Chor: „Raus mit der Geißel“ (S. 250).
Es könnte so auf den ersten Blick der Eindruck gewonnen werden, als besäßen wenigstens die Mitglieder der höheren Alpha- und Betakasten eine eigene Individualität. Zum Beispiel: Der Direktor hat ein charakteristisches Aussehen, Benehmen und eine Geschichte. Das hat Lenina auch: Sie sieht sehr „pneumatisch“ aus und ist bei den Männern der Zentrale, in der sie arbeitet, sehr beliebt. Sie hat mit vielen „irgendwann einmal eine Nacht verbracht“ (S. 67).
Lenina und der Direktor sind zufrieden mit ihrer Position in der Gesellschaft. Lenina fühlt sich glücklich. Wenn es schiefgeht, gibt es Soma zum Vergessen und dazu, um Urlaub von der Wirklichkeit zu machen. Der Direktor verteidigt die Vortrefflichkeit der neuen Welt und argumentiert vor den Studenten für sie, in der er wohl angepasst lebt. Diese Genugtuungsäußerungen sind jedoch ein Must in der schönen Welt, in der alle Menschen bestimmte Dinge zwangsläufig tun müssen. Beide Protagonisten sind konditioniert, nicht nur ewig absolut glücklich zu sein, sondern auch die Gratisdroge, die immer zur Verfügung steht, als Lösung ihrer Probleme zu benutzen.
„Schöne neue Welt“ berichtet von einer Gesellschaft, in der echte Individualität nicht existiert. Di...